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Als ich noch unsterblich war

Wer in den zwölf weißen Bänden von Christoph Ransmayrs »Spielformen des Erzählens« nach dem klassischen Ton großer Erzählungen sucht, wird jene 13 Geschichten entdecken, die nun erstmals in einem Band versammelt sind. Die Entdeckungsreise führt von Irland in den Transhimalaya, aus dem oberösterreichischen Bergland zu den Bürgerkriegsschauplätzen Sri Lankas oder in die Sahara, in den Frieden afrikanischer Nebelwälder und ins Südchinesische Meer.

Das Leben selbst bestimmt den verführerischen Rhythmus der Erzählungen, das Entstehen und die Vergänglichkeit, den Aufbruch in die Welt und die Heimkehr ins Vertraute. In Christoph Ransmayrs Worten, durch seinen scharfen Blick, verwandelt sich die Welt in eine, die farbenprächtiger, detailreicher und ein wenig größer zu sein scheint, als wir sie kennen.


Inhaltsverzeichnis »Als ich noch unsterblich war«:

Vorwort 12a

1 Als ich noch unsterblich war

2 Am See von Phoksundo

3 Der Sänger

4 Last Picture Show

5 Strahlender Untergang

6 Floßfahrt

7 Sarah Rotblatt, Schönheitskönigin

8 Mädchen im gelben Kleid

9 Arznei gegen die Sterblichkeit

10 Die dritte Luft

11 Die Verbeugung des Riesen

12 An der Bahre eines freien Mannes

13 Damen & Herren unter Wasser

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Leseprobe

Als ich noch unsterblich war

Als ich noch unsterblich war… und der Tod nur ein Rätsel, das stets die anderen betraf, aber weder mich noch meine Brüder, meine Schwester, meine Eltern, ja  keinen einzigen meiner Nächsten und Liebsten, sondern immer nur die anderen – Nachbarn, Bauern, Handwerker meines Dorfes, die mit gefalteten, von Rosenkränzen umwundenen Händen und seltsam wächsernen Gesichtern in ihren offenen Särgen auf einem Katafalk der Friedhofskapelle aufgebahrt lagen. 

Der Kirchenchor sang jedesmal Näher mein Gott zu dir, bevor die Wachsfiguren zu ihren Gräbern im Schatten der Kirche getragen wurden, lehmigen Gruben, die mir als Tunnels oder Stollen erschienen, die sowohl in die Abgründe des Himmels als auch in jene der Hölle führen konnten…

Als ich noch unsterblich war und meine Tage als kindlicher Analphabet fern aller Stundenpläne und Schulordnungen in märchenhafte Spiele vertieft verbrachte, deren chaotische Regeln ich allein bestimmen durfte, wurden mir manchmal selbst die Mahlzeiten zum Spiel. Dann saß ich vor einem weißen, mit klarer Suppe gefüllten Porzellanteller mit brüchigem Goldrand und fischte mit meinem Löffel nach den vollgesogenen, in Strudeln dahinwirbelnden Elementen der Suppeneinlage – zierlichen Buchstaben aus Teig von der Größe einer Erbse oder einer Johannisbeere, die ich dann entlang des Tellerrandes zu halbkreisförmigen Kolonnen mit wechselnden Bedeutungen anordnete:

Einmal war mein vom Fett der Suppe wie lackierter Fang eine Tierkarawane, beispielsweise auf dem Weg zu den Fallreeps der Arche Noah – denn auch wenn ich noch lange nicht lesen konnte, wußte ich doch aus den Erzählungen einer Magd, die jeden Freitag gemeinsam mit meiner Mutter auf einem Rutschbrett kniend die Holzböden unserer Wohnung mit Reisbürste und Schmierseife schrubbte, daß die Welt, auch unser Dorf, alle Dörfer, schon einmal von einem wütenden, allmächtigen Gott mit einer ungeheuren Flut von allen Menschen reingewaschen und nur ein Mann namens Noah verschont worden war. Nur dieser Noah hatte einer himmlischen Warnung geglaubt und rechtzeitig eine Arche gebaut, mit der er sich und seine Frau und je ein Paar unschuldiger Tiere vor dem Untergang retten konnte.

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Unter einem Zuckerhimmel

Ein großformatiger, opulent ausgestatteter Band im Werk von Christoph Ransmayr: Balladen und Gedichte, illustriert von Anselm Kiefer

»In den ersten jener abenteuerlichen, von Rätseln erfüllten Jahre, die manchmal schwärmerisch Kindheit genannt werden, habe ich Erzählungen vor allem als Gesänge gehört.« Die ersten Geschichten im Leben Christoph Ransmayrs waren die Gesänge eines häuslichen Frauenchors, in dem seine Mutter und mit ihr eine Magd alles, was einem Kind erzählt werden sollte, sangen. Diesem Beispiel folgend erzählt Christoph Ransmayr nun in Balladen und Gedichten von abenteuerlichen Reisen nicht nur ins Hochgebirge, in das Blau des Himmels oder an den Meereshorizont, sondern durch die Zeit. 

Anselm Kiefer hat Ransmayrs Balladen und Gedichte mit Serien von Aquarellen begleitet, die er ausschließlich für diesen Band geschaffen hat. Die vorliegende opulent ausgestattete Sammlung verschränkt die Sprache Christoph Ransmayrs mit der Kunst Anselm Kiefers. »Unter einem Zuckerhimmel« erscheint als der zwölfte Band, als Sonderband, in Christoph Ransmayrs Reihe »Spielformen des Erzählens«.

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Von Vogelhochzeiten und Kühltruhen

In den ersten jener abenteuerlichen, von Rätseln erfüllten Jahre, die manchmal schwärmerisch Kindheit genannt werden, habe ich Erzählungen vor allem als Gesänge gehört. Ein kleiner Chor von Frauen, unter ihnen meine Mutter und an Freitagvormittagen auch eine Magd, die gemeinsam mit ihr, nach der Stallarbeit in einem benachbarten Vierkanthof, auf den Knien den rissigen Holzboden unserer Wohnung mit Reisbürste und Kernseife wusch, sang von Vogelhochzeiten, von Kö­nigskindern und einem Männlein im Wald, vom guten stillen Mond und der Zahl der Sterne am Himmelszelt. Als ich mit dem tropfenden Alphabet einer Buchstabensuppe, deren Lettern auf dem Tellerrand von meiner Mutter zu Zeilen angeordnet wurden, lesen lernt und dann in Liederbüchern sah, daß die Geschichten des Frauenchors in Strophenform gedruckt waren, wurde ich überzeugt, daß wohl Verse und gesungene Strophen die vollendete Form einer Geschichte sein mußten. Denn in den profanen, vom linken zum rechten Seitenrand laufenden und Buchseiten schraffierenden Zeilen konnten zwar Märchen, Legenden und Sagen überliefert werden, aber ihre mitreißende Dramatik fand ihren Weg offensichtlich erst in Herzen und Köpfe, wenn sich eine menschliche Stimme ihrer annahm und sie als Gesang vortrug.

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Der Fallmeister

Bestseller

Nach den Bestsellern »Atlas eines ängstlichen Mannes« und »Cox oder Der Lauf der Zeit« erzählt Christoph Ransmayr in seinem Roman »Der Fallmeister« virtuos und mit großer Sinnlichkeit von menschlicher Schuld und Vergebung.
Im tosenden Wildwasser stürzt ein Langboot die gefürchteten Kaskaden des Weißen Flusses hinab. Fünf Menschen ertrinken. Der »Der Fallmeister« , ein in den Uferdörfern geachteter Schleusenwärter, hätte dieses Unglück verhindern müssen. Als er ein Jahr nach der Katastrophe verschwindet, beginnt sein Sohn zu zweifeln: War sein jähzorniger, von der Vergangenheit besessener Vater ein Mörder? Die Suche nach der Wahrheit führt den Sohn des Fallmeisters tief zurück in die eigene Vergangenheit: Getrieben von seiner Leidenschaft für die eigene Schwester und der Empörung über das Schicksal seiner aus dem Land gejagten Mutter, folgt er den Spuren seines Vaters. Sein Weg führt ihn durch eine düstere, in Kleinstaaten zerfallene Welt. Größenwahnsinnige Herrscher ziehen immer engere Grenzen und führen Kämpfe um die Ressourcen des Trinkwassers. Bildmächtig und mit großer Intensität erzählt Christoph Ransmayr von einer bedrohten Welt und der menschlichen Hoffnung auf Vergebung.

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Der Große Fall

Mein Vater hat fünf Menschen getötet. Wie die meisten Mörder, die bloß Tastaturen, Hebel oder Kippschalter bedienen, wenn sie für einen maßlosen Augenblick die Herrschaft über Leben und Tod an sichreißen, berührte er dabei kein einziges seiner Opferoder sah ihm auch nur in die Augen, sondern flutete über eine Reihe blanker Stahlwinden eine der Flußschiffahrt dienende Bootsgasse. Der durch die geöffneten Schleusentore freigesetzte Wasserschwall verwandelte diese Gasse, einen schmalen, aus Lärchenbalken gezimmerten Kanal, in einen reißenden Abfluß. Ein darin eben noch driftendes, mit zwölf Menschen besetztes Langboot glitt dadurch nicht wie vorgesehen in ruhiger Fahrt vom Ober- in den Unterlauf des Weißen Flusses, sondern schoß in jäher Beschleunigung zwischen bemoosten Felswänden talwärts. Dort, wo die Bootsgasse wieder in das alte Flußbett einmündete, ließ der Schwall das Langboot wie von einer Riesenfaust getroffen umschlagen und kieloben durch brodelnde Kehrwasserwirbel davon taumeln.

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Ich habe dieses Buch betreten wie einen Zauberwald 

Denis Scheck

Christoph Ransmayr liest aus seinem Roman »Der Fallmeister«

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