Am Ende Ihres Buches »Der Wal und das Ende der Welt« beschreiben Sie eine Begegnung mit Jared Diamond. Sie haben ihn damals gefragt, wie realistisch der Plot Ihres Buches sei. Er antwortete: »Sehr realistisch.« Was denken Sie heute darüber?
Wie schnell Fiktion zu Realität wurde! Als ich mit Jared Diamond sprach, waren wir in einem kleinen Eck des Paradieses der Insel Sumatra. Jegliches Gerede von Pandemien und Apokalypse erschien sehr phantasievoll und ein bisschen absurd. Ich fühlte mich wie ein Verrückter, der warnt: »Das Ende der Welt naht!«. Ich war überrascht, wie empathisch Jared Diamond auf das Szenario reagierte, das ich beschrieb. »Das kann definitiv passieren«, sagte er mir. Heute sind wir eingesperrt in unseren Wohnungen und beobachten die Ausbreitung der Corona-Krise. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, ein komisches Déjà-vu. Im Roman bricht die Pandemie zusammen mit einer weltweiten Ölkrise aus, so dass die Versorgungsketten unterbrochen werden. Zum Glück müssen wir uns darüber im Moment zumindest keine Gedanken machen. Ich hoffe, dass wir alle den Gemeinschaftssinn entdecken, der im Roman das Dorf St. Piran rettet. Das wäre etwas Gutes, was aus dieser Krise folgen könnte.
Ihr Buch ist ein Buch über Menschlichkeit und Solidarität. Wie gehen die Menschen in St. Piran mit der Krise um, und können wir ihrem Beispiel folgen?
Für mich war ein Ziel des Buches zu zeigen, wie Gemeinschaften auf Krisen reagieren, in dem sie nicht selbstsüchtig, sondern gemeinsam die Herausforderungen angehen. St. Piran ist ein kleiner Ort, an dem jeder Bewohner den anderen kennt. Sie meistern die Krise, da jeder eine Rolle findet: Manche fischen, andere melken Kühe, manche holen Wasser aus dem Brunnen, andere stellen Cider her, manche kochen und so weiter. Jeder wird wertgeschätzt. Niemand ist ausgeschlossen. Für mich ist das die Botschaft des Buches: Wir haben alle einen Teil beizutragen. Ein Nebeneffekt der Isolation durch die Corona-Krise ist, dass alle mehr Zeit damit verbringen, Nachrichten zu schreiben und Videoanrufe zu tätigen, um mit Verwandten und Freunden in Kontakt zu bleiben. Das ist auch sehr wichtig. Wenn wir alle in ein paar Wochen hoffentlich wieder aus der Isolation hervorkommen, brauchen wir unser Netzwerk an Freunden. Wir erleben gerade eine außergewöhnliche Zeit in der Geschichte. Die großen Held*innen werden die Menschen des Gesundheitswesens sein, die ihr Leben hinten anstellen um infizierten Menschen zu helfen. Auch das ist eine Chance für uns alle, einen Teil beizutragen. So wie in St. Piran.
Die Menschen von St. Piran sind es gewohnt, dass die Zeit langsam läuft. Für Millionen Menschen ist das heute durch Isolation und Quarantäne eine neue Erfahrung. Haben Sie auch das Gefühl, dass die Zeit für Sie etwas langsamer vergeht - und wie gehen Sie damit um? Irgendwelche Tipps?
Meine Frau Sue und ich sind seit Mitte März in Selbst-Isolation und komischerweise (sagen Sie das niemandem) genießen wir es sogar etwas. Wir leben neben einem Fußpfad an der Küste. Wir haben ruhige Zeiten am Tag entdeckt (meistens kurz vor der Dämmerung), zu denen wir rausgehen und spazieren, für eine Stunde oder so. Oft treffen wir dabei keine weitere Seele. Das hat uns relativ fit gehalten – und gesund. Das würde ich Menschen raten: Eine ruhige Stunde suchen, um zu spazieren oder laufen zu gehen, wenn es die Vorschriften erlauben. Ich habe Glück, denn ich kann mich immer in meine Bibliothek zurückziehen, um zu schreiben, während Sue in ihrem Studio malt. Außerdem habe ich einen großen Stapel an Büchern, die darauf warten, gelesen zu werden. Noch warte ich gar nicht so gespannt darauf, dass die Isolation endet.